klau|s|ens, es ist fast alles gesagt.
ich weiß. was sollen wir noch sagen?
lass es doch!
kachelmann wurde freigesprochen. aber der freispruch sagte, dass es nicht genug gab, um ihn zu verurteilen.
sicher, sicher. so ist das recht.
sollen wir uns auf eine seite stellen?
nach dem, was wir gelesen und erfahren haben, musste das urteil genauso ausfallen.
recht ist recht.
die beweislage war so. wir stimmen dem gericht zu. das urteil in AUSZÜGEN im wortlaut. KLAUSENS zitiert dpa.
Zitiert wird der Vorsitzende Richter, Michael Seidling.
ZUM FREISPRUCH:
“Der heutige Freispruch beruht nicht darauf, dass die Kammer von der Unschuld von Herrn Kachelmann und damit im Gegenzug von einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin überzeugt ist. Es bestehen aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Zweifel an der Schuld von Herrn Kachelmann. Er war deshalb nach dem Grundsatz “in dubio pro reo“ freizusprechen.“
ZUR KRITIK AM GERICHT UND AN DER STAATSANWALTSCHAFT:
“Der Kammer zu unterstellen, sie sei nicht bestrebt, die Wahrheit herauszufinden und sie stattdessen mit dem Vorwurf zu überziehen, sie verhandele, bis etwas Belastendes herauskomme, ist schlicht abwegig. Im Ergebnis wird damit meinen Kollegen und mir jegliche Professionalität und jegliches Berufsethos abgesprochen. Es bleibt der ungerechtfertigte, dem Ansehen der Justiz schadende Vorwurf im Raum stehen, Richter seien bei Prominenten bereit, zu deren Lasten Objektivität, richterliche Sorgfalt und Gesetze außer Acht zu lassen. Gleiches gilt im übrigen für die Staatsanwälte.
Gerade der vorliegende Fall steht in seiner Komplexität exemplarisch dafür, dass mit vertretbaren Erwägungen unterschiedliche Sichtweisen denkbar sind. Den Vertretern der Staatsanwaltschaft deshalb pflicht- bzw. gesetzeswidriges Verhalten zu unterstellen, ist eines Strafprozesses unwürdig. Die – wenn auch hart geführte – Auseinandersetzung in der Sache setzt immer auch den respektvollen Umgang miteinander voraus. Diesen hat der Verteidiger des Angeklagten häufig vermissen lassen. Dass angesichts der Verdachtslage ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, Anklage zu erheben und das Hauptverfahren zu eröffnen war, ist bei objektiver Betrachtung der gesamten Aktenlage – und nur auf die kommt es bei den vorgenannten Entscheidungen an – nicht zu bezweifeln. Auch das Oberlandesgericht Karlsruhe hat dies nicht anders gesehen.“
ROLLE DER MEDIEN:
“Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Aber auch sie kennt Grenzen. Diese Grenzen existieren offensichtlich im Internet nicht. Vorwiegend hinter der Fassade der Anonymität wurden im Verlauf des Verfahrens in den Meinungsforen, Blogs und Kommentaren im Internet die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten, der Nebenklägerin, aber auch des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten immer wieder mit Füßen getreten, ohne dass die Möglichkeit bestanden hätte, sich dagegen in irgendeiner Weise effektiv zur Wehr zu setzen. Auch angeblich Sachkundige konnten nicht der Versuchung widerstehen, ohne Aktenkenntnis und ohne an der Hauptverhandlung teilgenommen zu haben, häufig aber auf der Grundlage unvollständiger und fehlerhafter Medienberichte per Ferndiagnose ihre persönliche Meinung zum Besten zu geben, die in der Regel nichts mit sachlicher Kritik zu tun hatte, sondern häufig nur Klischees bediente.
Die Pressefreiheit zählt wie die Meinungsfreiheit zu den elementaren Grundrechten. Die Gerichte haben bei ihrer Tätigkeit die Pressefreiheit zu respektieren und den Medien eine angemessene Berichterstattung über das Verfahren zu ermöglichen. Gerichte müssen und sollen damit leben, dass sie durch die Medien öffentlicher Kontrolle unterliegen. Umgekehrt aber ist es Aufgabe der Presse, vollständig und sachlich zu berichten, dem Leser damit die Möglichkeit zu geben, sich unvoreingenommen eine Meinung zu bilden und dabei die Würde des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten zu achten. Statt der gebotenen Zurückhaltung gegenüber einem laufenden Verfahren prägten vorschnelle Prognosen, das einseitige Präsentieren von Fakten und mit dem Anschein von Sachlichkeit verbreitete Wertungen die Berichterstattung. Diese mögen zwar als Garant für Schlagzeilen und Verkaufszahlen dienen; der Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung sind sie jedoch in hohem Maße abträglich.
Sie erzeugen Stimmungen, wo Sachlichkeit gefragt ist; letztlich vertiefen sie den mit der Durchführung eines Strafverfahrens verbundenen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten und der Nebenklägerin in nicht gerechtfertigter Weise. Vor allem aber erschweren sie die Akzeptanz eines Richterspruchs in der Öffentlichkeit und schaden damit dem Ansehen der Justiz.
Mit Befremden hat die Kammer die Aufrufe an die Bevölkerung registriert, im Wege der Abstimmung über Schuld und Unschuld des Angeklagten zu entscheiden. Damit verkommt das Gerichtsverfahren nicht nur zu einem reinen Event; vielmehr werden Entscheidungen von Gerichten, denen nicht selten eine hochkomplizierte Entscheidungsfindung vorausgeht, in der öffentlichen Wahrnehmung mit dem Merkmal der Beliebigkeit behaftet. Dass auch dadurch dem Ansehen der Justiz in der Öffentlichkeit massiver Schaden zugefügt wird, liegt auf der Hand.
Mit öffentlicher Kontrolle der Gerichte durch die Medien hat diese Form der Medienarbeit nichts zu tun. Der Kammer ist bewusst, dass die Arbeit der Medien im vorliegenden Verfahren unter erschwerten Bedingungen stattfand. Durch den wiederholten Ausschluss der Öffentlichkeit war es den Medienvertretern nicht möglich, sich ein vollständiges Bild vom Ablauf und Inhalt der Hauptverhandlung zu machen. Dies hätte jedoch umso mehr Anlass zur Zurückhaltung bei der Berichterstattung sein müssen. Die Kammer hätte vor allem in diesem Zusammenhang von Seiten der Medien mehr Verständnis für die Belange des Strafprozesses erwartet. (…)
Ob einer Hauptverhandlung für die breite Öffentlichkeit ein ausreichender Unterhaltungswert zukommt, ist für die Beurteilung der Schuldfrage und damit für die Gestaltung der Hauptverhandlung ohne Belang. Das Gericht ist bei der Durchführung der Hauptverhandlung nicht der Befriedigung des Sensations- und Unterhaltungsinteresses verpflichtet.
Die medienwirksam vorgetragene Kritik des Verteidigers am Ausschluss der Öffentlichkeit ließ vordergründig den Eindruck entstehen, die Kammer habe bis zu seinem Auftreten ohne sachliche Rechtfertigung die Öffentlichkeit in exzessiver Weise ausgeschlossen. Dass sich drei Zeuginnen durch Interviews ihrer Persönlichkeitsrechte – jedenfalls teilweise – begeben hatten, verstärkte diesen Eindruck. Ohne Zweifel haben diese drei Zeuginnen und die entsprechenden Medien durch ihr Verhalten dem Ablauf der Hauptverhandlung geschadet. Abgesehen davon, dass die weit überwiegende Anzahl der unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommenen Zeuginnen keine Interviews gegeben und damit Anspruch auf Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte hatten, geht die Kammer nicht davon aus, dass der Angeklagte oder sein Verteidiger ernsthaft gewollt hätten, dass das Beziehungs- und Intimleben des Angeklagten der Allgemeinheit in allen Einzelheiten durch eine Vernehmung der Zeuginnen in öffentlicher Verhandlung zugänglich gemacht worden wäre.
Im Ergebnis steht deshalb außer Frage, dass der wiederholte Ausschluss der Öffentlichkeit sachlich gerechtfertigt war. Er diente allein dazu, die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten, auch die des Angeklagten zu wahren und die Wahrheitsfindung in geordneten Bahnen ablaufen zu lassen.
Auf der anderen Seite hat die Kammer aber auch gesehen, dass einige Medienvertreter – wenn auch eher eine überschaubare Anzahl – durchaus sachgerecht und ausgewogen über das Verfahren berichtet haben. Bei allem Verständnis für die Belange der Medienarbeit erhofft sich das Gericht, dass die Medien künftig wieder mehr Verständnis für das vorrangige Interesse der Justiz an der ordnungsgemäßen Durchführung eines Strafverfahrens entwickeln. (…)“
SCHWIERIGE BEWEISAUFNAHME:
Der Vorsitzende Richter wies darauf hin, dass nicht nur die Nebenklägerin, sondern auch der Angeklagte nach Überzeugung der Kammer in einigen Punkten die Unwahrheit gesagt haben. Er hob jedoch hervor: “Dass sie in einzelnen Punkten die Unwahrheit gesagt haben, macht sie unter Berücksichtigung der weiteren Beweisergebnisse angreifbar; dass sie deshalb insgesamt die Unwahrheit gesagt haben, lässt sich mit dieser Feststellung nicht belegen.“
In diesem Zusammenhang verwies er auf die Ausführungen in einem juristischen Lehrbuch, in dem sich bezogen auf das Sprichwort “Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht“ folgender Hinweis findet: “Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, stets anzunehmen, dass jemand der in einem Nebenpunkt lügt, auch im Kernpunkt die Unwahrheit sage.“
Weiter erklärt der Vorsitzende:
“Angesichts des Umstandes widersprechender Angaben des Angeklagten und der Nebenklägerin sowie angesichts der Feststellungen, dass beide in Teilbereichen nachweisbar die Unwahrheit gesagt haben, stellt sich die Frage, ob durch außerhalb der Aussagen liegende Beweise begründete Anhaltspunkte für die Richtigkeit der einen oder anderen Schilderung der Ereignisse nach dem Ende des Trennungsgesprächs gefunden werden können. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass keiner der außerhalb der Aussagen liegenden Beweise für sich gesehen geeignet ist, die Schuld oder gar die Unschuld des Angeklagten zu belegen. Es ist vielmehr festzuhalten, dass die objektive Beweiskette in die eine wie in die andere Richtung immer wieder abreißt. Die unzureichende objektive Beweislage lässt sich auch durch die von dem Vertreter der Nebenklage in seinem Plädoyer aufgeworfenen Sinnfragen nicht auffüllen. Diese zu Recht in den Raum gestellten Sinnfragen belegen zwar begründete Zweifel an einer Falschbeschuldigung durch die Nebenklägerin; die Zweifel an der Schuld des Angeklagten können sie jedoch nicht ausräumen.“
SCHLUSSWORT:
“Wir sind überzeugt, dass wir die juristisch richtige Entscheidung getroffen haben. Befriedigung verspüren wir dadurch jedoch nicht. Wir entlassen den Angeklagten und die Nebenklägerin mit einem möglicherweise nie mehr aus der Welt zu schaffenden Verdacht, ihn als potenziellen Vergewaltiger, sie als potenzielle rachsüchtige Lügnerin. Wir entlassen den Angeklagten und die Nebenklägerin aber auch mit dem Gefühl, ihren jeweiligen Interessen durch unser Urteil nicht ausreichend gerecht geworden zu sein. Bedenken Sie, wenn Sie künftig über den Fall reden oder berichten, dass Herr Kachelmann möglicherweise die Tat nicht begangen hat und deshalb zu Unrecht als Rechtsbrecher vor Gericht stand. Bedenken Sie aber auch umgekehrt, dass Frau (Name gestrichen) möglicherweise Opfer einer schweren Straftat war. Versuchen Sie, sich künftig weniger von Emotionen leiten zu lassen. Unterstellen Sie die jeweils günstigste Variante für Herrn Kachelmann und Frau (Name gestrichen) und führen Sie sich dann vor Augen, was beide möglicherweise durchlitten haben. Nur dann haben Sie den Grundsatz “in dubio pro reo“ verstanden. Nur dann kennt der Grundsatz “in dubio pro reo“ nicht nur Verlierer, sondern neben dem Rechtsstaat auch Gewinner.“
aber vieles fand doch unter ausschluss der öffentlichkeit statt. ich meine, während des prozesses. z. b. diverse vernehmungen.
gewiss. aber es gab dennoch im gerichtssaal genug, die nachher das preisgaben, was unter ausschluss der öffentlichkeit eigentlich war. insofern stellt sich die frage, was ein ausschluss wann bringt.
zu viele haben zu viel geredet.
mich störten einige von der journaille. schlimm waren diese selbstdarstellungen von frau schwarzer (emma = BILD) und frau friedrichsen ( SPIEGEL). dann war noch diese frau von der ZEIT, sabine rückert, die mit dem so aaskalten und oft alle bösartigst beschimpfenden rücksichtslos-neo-verteidiger schwenn so einen engen schulterschluss pflegte … und viele andere. die haben sich so dreist produziert, dass es einen doch sich grün ärgern ließ. und sie haben alle da „mitgemacht“, sie haben hier mit JUSTIZ gespielt. und das teils sehr weitgehend.
noch schlimmer waren die bezahlten interviews mit zeugen, vorab.
ich denke, wenn man eines fordern müsste, dann
— a) dass sich frau schwarzer nicht mehr so geriert. durch ihr schreiben in der BILD und werbespots für die BILD hat sie sich x-fach unglaubwürdig gemacht. so ein mensch hat keinen status mehr, weil er seine seele andauernd an eine schein-„mehrheit“ verkauft. die BILD als vermeintliche mehrheit, die gleichzeitig immer wieder menschen mit sensationen und sexualismus und verbrechensheraufbeschwörung überzieht. frau schwarzer, die sich von der BILD hat de facto kaufen lassen, sollte schweigen und sich für immer zurückziehen. am besten in ein stadttheater, wo man ihr eine würdige rolle der ewign selbstdarstellung zuweist.
— b) es muss zeugen und der presse verboten werden, interviews zu geben bzw. zu machen, bevor die zeugenaussagen und der prozess insgesamt im gerichtssaal abgewickelt wurden. da muss es sowohl für die zeugen als auch für die verantwortlichen medien horrende strafen geben, damit das unterbleibt.
das wäre deine aufforderung zur reform des justizwesens, zweitklausens.
wir müssen verhindern, dass die prozesse schon vorher stattfinden, auf einem anderen schlachtfeld, welches dann in den prozesssaal eingreift, ja, diesen vorwegnimmt.
aber öffentlichkeit willst du dennoch!
gewiss, die lage ist heikel: öffentlichkeit und doch verbote. man muss eine geeignete lösung suchen. auch dass seitens staatsanwaltschaft und verteidigung ständig dinge „absichtslos = absichtsvoll“ an die medien gegeben werden. auch hier ist mehr zu verschließen als zu öffnen. man muss sich damit befassen. es lebe der richterbund! es lebe der richterinnenbund! tut doch was!
na, also: dann hast du ja doch noch etwas gesagt.
ich bin mir aber sicher, dass auch das irgendwo geschrieben oder gesagt werden wird. manche erkenntnisse liegen so in der luft, dass sie fast alle denken.
und kachelmann?
ist voerst frei. revision könnten kommen. aber das ganze thema an sich ist dadurch nicht durch.
das thema „vergewaltigung“.
das thema: schutz der opfer, die ja zumeist die frauen sind. da muss auch noch mehr getan werden, damit die männer sich ihre sache nie sicher werden. opferschutz ist angesagt. mehr opferschutz. viel mehr.
und wenn man ein callgirl irgendwo einschleust, um dann eine vergewaltigung anzuhängen …? der alte trick?
… ist es umso wichtiger, dass schon in der beweisaufnahme durch die polizei alles zum äußersten besser wird. man hört ja immer so viel von der spezialeinheit in new york und wie toll die sind. aber das ist auch alles gesagt.
und die kacheln?
ja, die kacheln vom kachelmann. das schillernde. das zeigen wir durch unser kunstwerk „dieser jörg kachelmann“ vom 31.5.2011, tag des freispruchs in erster instanz. ein folgenrichtiger freispruch, den wir beide unterstützen, nach dem, was wir von und über die beweislage wissen.
wir hätten richter werden sollen.
gerhard richter, der künstler. ich weiß, allein schon wegen dessen verdienst.
- HOMEPAGE VON KLAU|S|ENS: http://www.klausens.com