klau|s|ens, du im landtag von NRW? du?
man sollte (fast) alles sehen und gesehen haben. live, direkt, unmittelbar. man versteht dann die welt besser.
und wie war das parlament?
also dieser plenarsaal, der ist schon seltsam. er hat etwas von dem charme einer hoteleinrichtung der 80-er jahre, eine ganz leicht plüschige note. beige-töne, teppich, wirklich seltsam. (ganz anders als bonn z.b., der ehemalige bundestag, da liegen welten zwischen!) – zugleich gibt es in dem gesamtgebäude aber auch wundervolle blicke und blickachsen, natürlich auch auf den rhein, der ja unmittelbar vorbeifließt.
aber die haben doch getagt!
sie haben getagt, ein langer sitzungstag, von dem ich einen ausschnitt erlebte. (bis zur wahl gibt es kaum noch sitzungstage, ich glaube, es war der viertletzte, den ich sah.) und das war der ausschnitt der AKTUELLEN STUNDE, wo der saal voll war.
voll von zuschauern?
nein, die sind ja immer da: gruppe um gruppe darf ein stündlein bleiben, und danach bekommen sie noch ein weiteres stündlein mit einem landtagsabgeordneten. zuschauer kommen genug, denn so viele sitzungstage gibt es ja nicht. 33 oder so pro jahr.
aber was meinst du?
die abgeordneten sind alle da, oder fast alle. 15 hatten sich entschuldigt, für den tag, also war der rest da. über 180 gibt es. ich glaube: 187, zumindest in dieser 14. wahlperiode, in der wir uns noch befinden.
was meint das?
bis auf 15 von den 187 waren alle im hause.
nicht im plenarsaal?
sie müssen nicht, sie müssen nur anwesend sein, unterschreiben, dass sie da sind, die parlamentspräsidentin (die umstrittene frau regina van dinther) verkündet das zu sitzungsbeginn – und dann laufen alle durch das haus und durch die gänge und kommen nur, wenn es wichtig wird. oder wenn sie lust haben.
wann wird es wichtig?
bei bestimmten abstimmungen und bei aktuellen stunden, wo man „flagge zeigen“ muss, auch für die medien.
und du hast den saal voller abgeordneter (männlich wie weiblich) erlebt?
ja, die große ausnahme. denn alle zuschauer fragen immer, warum das parlament so leer ist. (das gibt das parlament in seinen eigenen veröffentlichungen schon zu.) und so war es auch bei mir: erst war es recht leer, da ging es um einen bericht um „kinder in not“, („Unterrichtung durch die Landesregierung“, Thema: Mehr Teilhabe und Chancengleichheit für alle Kinder in Nordrhein-Westfalen, Runder Tisch „Hilfe für Kinder in Not“, Zweiter Bericht). und dann war diese aktuelle stunde zu den sponsorsachen von rüttgers und der CDU … und dann war es voll.
und war es denn gut?
du meinst, weil man alles als theater sehen muss? ich fand das theater teils sehr erschreckend. von niederem niveau. wenn man schon theater spielt, dann muss man es auch gut machen.
nenne ein beispiel!
die aktuelle stunde zu der sponsorsache war von SPD und GRÜNEN beantragt worden, klar, wahlkampf, einen reinhauen, usw. – und dann beginnen SPD und GRÜNE ihre beiträge. hier der schriftliche antrag:
LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
14. Wahlperiode
Drucksache 14/10781
08.03.2010
Datum des Originals: 08.03.2010/Ausgegeben: 08.03.2010
Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Thema:
Wann legt der Ministerpräsident alle Sponsoren offen?
Begründung
In der vergangenen Woche sind erneut interne Mails zwischen Staatskanzlei und CDULandesparteileitung bekannt geworden, die zumindest den Verdacht nahelegen, dass die Parteiarbeit und der Wahlkampf zentral in der Staatskanzlei geplant und geleitet werden.
In diesem Zusammenhang versucht die CDU, mit einer Strafanzeige einerseits gegen die Presseinformanten aus den eigenen Reihen vorzugehen und andererseits kritische Journalisten einzuschüchtern. Der designierte Generalsekretär der CDU unternahm gleichzeitig vor einer handverlesenen Schar von Journalisten den untauglichen Versuch, durch die Vorlage eines Bruchteils des gesamten Mailverkehrs den entstandenen Eindruck eines Missbrauchs der staatlichen Verwaltung auszuräumen.
Gleichzeitig wurde in der vergangenen Woche eine als „Länderdialog“ firmierte Werbe-Veranstaltung der Staatskanzleien NRW und Bayern wieder abgesagt. Damit hat die Debatte über die Praxis der NRW-CDU, Gesprächstermine mit dem Ministerpräsidenten gegen Geld anzubieten, einen neuen vorläufigen Höhepunkt erreicht.
Im ARD-Morgenmagazin am vergangenen Freitag hat Ministerpräsident Rüttgers erklärt:“Wir haben von Anfang an alles auf den Tischgelegt“. Die Verträge seien einsehbar, es habe kein Geld für Gespräche gegeben. Bis heute sind jedoch die entsprechenden Informationen
weiterhin nicht bekannt.
Hierüber muss der Landtag im Rahmen einer Aktuellen Stunde diskutieren.
Carina Gödecke Johannes Remmel
und? und? und?
rüttgers sitzt vorne an seinem platz und liest. römer von der SPD spricht.
er liest?
ja, jürgen rüttgers liest akten oder tut so, als ob er liest, weil er ja doch zuhört. es gehört zum guten ton für alle minister viele akten auf dem schreibtisch zu haben und diese dann scheinbar oder wahrhaftig durchzuarbeiten. (je nachdem, was gerade passt.)
aber das ist doch ein skandal! rüttgers liest, während es in dieser stunde doch um ihn ging. und diese 6000 euro, für die man ihn „buchen“ können sollte.
ja, das ist ein skandal: wenn man das parlament schon ernst nimmt, dann darf man bei so einer sache als ministerpräsident nicht lesen. (als CDU-mann stahl dann sprach, hörte rüttgers dann aber demonstrativ zu und las nicht mehr. wie lächerlich!)
das empfandest du als schauspiel?
ja, als billiges. man tut demonstrativ so, als ob man liest, aber man liest ja gar nicht. außerdem ist es respektlos. (rüttgers wollte wohl schauspielerisch zeigen, dass er die vorwürfe nicht allzu ernst zu nehmen braucht. dass ihn die sache nicht zum schwitzen bringt. wie billig! demonstrativ dann lesen!)
und was war noch schauspiel?
viele, viele zwischenrufe. eine fülle von zwischenrufen, die man gar nicht verstehen kann, die man aber offenbar im saal verstehen kann, da unten. also: das hat mich doch überrascht. das kannte ich von anderen parlamenten so nicht.
und weiter?
dann gibt es jemand wie fraktionschef stahl, von der CDU, die machen dann das schauspiel der entwütung … und schlagen mal richtig zurück, gegen die anderen parteien, damit diese sponsorsache nicht an der CDU allein hängenbleibt. und helmut stahl hat dann wirklich wie im schauspiel geredet. das habe ich als schauspiel genossen, ästhetisch, inhaltlich aber eher nicht.
und weiter?
am ruhigsten und besonnensten kamen mir noch die sylvia löhrmann von den GRÜNEN und der minister karl-josef laumann vor. denen hörte man eigentlich am liebsten zu. sie wirkten „sachverständig“ und „besonnen“ und „bürgernah“. aber dann musste laumann vom rednerpult leider den herrn rüttgers, seinen chef, über den klee loben, als vorzeigepolitiker von bescheidenheit und demut … das war dann überaus peinlich. (frau kraft von der SPD fehlte ja leider ganz, an diesem tag, weil sie in gelsenkirchen weilte … und im fernsehen bei HART ABER FAIR. für sie sprach eben der redliche, aber brav wirkende SPD-mann norbert römer.)
und dann?
irgendwann war die aktuelle stunde zuende. zwischendurch gab es noch einen mann wie ralf witzel von der FDP, parlamentarischer geschäftsführer, der offenbar sehr unbeliebt bei der opposition ist, weil er billig und mit vielen plattheiten ganz auf marktkapitalimus macht. dann gab es noch den polternden (und das genießenden) abgeordneten lothar hegemann von der CDU, der sogar an der geschichte von der zwangsvereinigung von KPD und SPD in der DDR zu zweifeln wusste (war es wirklich zwang?, fragte er dezent), was dann die SPD erregte, z.b. den klugen wolfram kuschke, staatsminister a.D. – es sind eben alles spiele.
spielen sie denn gut?
ich sagte doch: wenige spielen gut. sie wissen das gar nicht, weil sie sich selber nicht so sehen und empfinden. sie sehen sich nicht gespiegelt, weil sie den spiegel nicht wollen.
wie muss man es sehen?
eine ingroup läuft durch die eigenen reihen.
eine „ingroup“.
ja, sie sind parlamentarier, kennen den alltag, kennen die ausschüsse, sie kennen sich allesamt untereinander, sie sind natürlich immer im wahlkreis auch anwesend, auch dort unter verbänden, kreisen, vereinen, die ihnen nah sind … und so ist ihr leben. dieses leben bildet eine eigene blase, und in dieser schwimmen sie.
und dann?
dann sind sie genauso, wie die blase, in der sie schwimmen. aber sie merken es nicht mehr.
und du?
ich sehe das ganze, ich spiele „volk“ – und frage mich, was politik eigentlich soll, weil das niveau so beschämend niedrig ist, wenn man dann doch dieses seltsame mobiliar (die sesselstühle der abgeordneten! ein lacher! wie im „hotel haus verena“!) in diesem seltsamen plenarssaal sieht, dann weiß man nicht mehr recht weiter. es geht nur um abhängigkeiten, beziehungen, fraktionszwänge, parolen, schaumworte. eigentlich ist es mehr als lächerlich. (von wenigen ausnahmen mal abgesehen.)
aber es sind doch wahlen.
ja, bald. aber wen oder was soll man wählen? wenn man das alles LIVE erlebt hat, als spielplatz der schauspiellaiigkeiten.
„schauspiellaiigkeit“?
ja, das habe ich von laie abgeleitet. schönes wort doch? oder nicht?
ja, ja. aber, klau|s|ens, siehe auch LIVE-gedichte: Klau*s*ens bei Landtagssitzung NRW.
gern!

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