
klau|s|ens, du warst einer von denen, die kohl bewunderten?
oh nein, oh nein! – ich lese immer vom „großen europäer“ und vom „vater der wiedervereinigung“, 1000-fach, es ist wie ein mantra … und man kann es auch würdigen. europa versus nationalstaaten und krieg. ja. ja. europa ist besser als kein europa. gewiss!
dann willst du ihn würdigen?
„würdigen“ ist ein falsches wort. das gäbe einen falschen zungenschlag.
und der richtige zungenschlag?
dem mann ist die einheit zugefallen, er hat sie genutzt. also! er ist in dieser beziehung ein „gewinner“ gewesen, aber ein leben hat ja mehr facetten.
aber sonst eher nicht? nur europa, nur DDR zu BRD?
kohl war für mich die höchste form der provinzialität, so als würden jagdverbände und schützenvereine und handballmannschaften und dorfpolizisten nun irgendwie immer mitregieren. spießer, dumpfbürger, geistig unwendige menschen, traditionsbeharrend im schlechten.
dass war ja auch seine sache: personen, bündnisse, halteseile, die region. der kontakt. die drohung. die zusage.
schön, aber wer bündelt da mit wem? kohl hat leute angerufen, aber wen? und welche hat er alle ausgegrenzt? na?
zum beispiel journalisten, künstler, weltbürger. demonstranten!
alles nicht sein fall. dazu diese cholerik, das aufbrausende, das abkanzelnde, dieses „billige“. viele seiner sätze waren ohne jede klasse. kaum von goethe gespeist.
du beklagst seine art.
aber wie, aber wie! vieles von ihm war dumpf und dümmlich. voller unverständnis für bestimmte erscheinungen dieser welt. wir haben uns an kohl abgearbeitet. wir haben ihn nicht gemocht. er hat alles kleinmachen wollen, was mit „links“, mit „grün“, mit „demokratie“ zu tun hatte. er selber aber war gerne boss und herrscher, der oberste, der die macht hat und sich über diese macht definiert.
er konnte ganz schön fiese bemerkungen machen.
oft so dümmliche. aber er bekam immer beifall von den kleinbürgern dieser welt, auch von CDU-nahen großbürgern. man vergesse auch rheinland-pfalz und den katholizismus nicht. diese ganze brühe, diese ganze soße. die bundeswehr! mobben konnte kohl ja auch! und vergaß nichts und niemanden! gerne auch im streit! im verachten! im nichtmögen! kohl war für mich nie ein sympathieträger.
es waren 16 lange jahre, und man erhoffte sich eine phase von willy-brandt-II …
… brandt, die zweite phase? die schröder danach dann nicht geliefert hat?
kohl hatte eine gewisse selbstherrlichkeit, die im vorläufertum zu einer von der des donald trump steht.
gewiss, gewiss, das gehört auch alles zu dem bild des helmut kohl. seine haltung in der parteispendenaffaire lässt auch eine gewisse nähe zu trump aufscheinen: „im zweifelsfall ist mir staat und verfassung und gesetz sowieso einerlei. ich mache das, was ich machen will. BASTA!“
kohl als BASTA!-politiker. ach ja.
es sind da so viele facetten, bis hin zu seinen freunden, die nun in den fernsehsendern auftauchen, seinen engsten menschen von damals, die teils echte, teils falsche tränen weinen. aber sie dürfen nun alle ihre statements abgeben.
du denkst an menschen wie seiters oder waigel! (selbst kinkel von der FDP darf nun mal wieder im fernseher reden. CDU-bosbach sowieso immer. – sprach blüm eigentlich?)
also: kohl und europa, kohl und die einheit, kohl und die macht, kohl und die kaltschnäuzigkeit, kohl und das provinzielle, kohl und die leibesfülle, kohl und die kaum-familie, kohl und die heimat, kohl und seine bibliothek von nur-geschichtsbüchern, kohl und kaum-kultur, kohl und dennoch ein museumsgründer, kohl und der seinen nachruf-durch-museen-schaffer, kohl und die treue (zu bestimmten personen), kohl und der direkte kontakt, auch zum „kleinsten mann“, kohl und die linke: fast schon hass, kohl und die welt: eher ein widerspruch, und und und. kohl und seine feindschaften.
hans-peter-schwarz ist aktuell ja auch verstorben, das war einer der CDU-historiker, am 14.6. schon. professor hans-peter schwarz, x bücher tragen seinen namen. er schrieb auch über 1000 seiten zu kohl: >>Helmut Kohl. Eine politische Biographie. DVA, München 2012, ISBN 978-3-421-04458-7, 1052 S.<<
haben wir die gelesen?
nein, bei der zahl der bücher, die man lesen kann, sind 1000 seiten kohl wirklich nicht unsere sache.
aber europa war seine herzenssache, und die deutsche einheit ja auch.
ich weiß, ich weiß, ich weiß: ich habe es in 1000 nachrufen wieder und wieder und wieder gehört. aber die anderen seiten des helmut kohl wurden gerne auch mal weggelassen. gestern. in den statements. [ist ja auch politik: weglassen. umschiffen. nicht aussprechen.]
ich mochte auch seinen humor nicht. oft hatte er auch gar keinen!

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